„Jetzt betrachte es doch mal positiv!“ Oder aber: „Ach, komm, sei doch nicht so naiv!“ Hast Du das schon mal gehört oder gedacht? Beides wirkt schnell wie ein Quick Fix; wie eine Aufforderung zum Umgang mit der rosaroten Brille – zum Aufsetzen oder zum Absetzen derselbigen. Und vielleicht erinnerst Du Dich auch daran, wie es ist, verliebt zu sein und ganz automatisch die rosarote Brille aufzuhaben – wodurch die Welt einfach wunderbar aufregend, wohlgesonnen und voller magischer Möglichkeiten scheint?
Taadaaa – alles wieder gut
Die Welt durch eine rosarote Brille zu betrachten meint, sie verfälscht schön, positiv oder optimistisch zu sehen. Alle Nuancen der Welt werden pink eingefärbt und auch Dunkles oder Schlechtes verliert auf diese Weise seinen Schrecken. Wenn wir uns schlecht fühlen und jemand zu uns sagt: „Jetzt betrachte es doch mal positiv!“, kann es sich anfühlen, als sollten wir einfach eine alberne Brille aufsetzen und – taadaaa! – wäre alles wieder gut. Das empfinden wir schnell als oberflächlich und dumm: „Wenn die wüssten. Ich habe hier mit echten Problemen zu tun! Da ist es fahrlässig und naiv, mir einfach eine blöde Brille aufzusetzen und so zu tun als sei alles glitzer-pink!“.
Optimismus-Bias
In der Tat kennt die Psychologie den Optimismus-Bias. Dabei handelt es sich um eine kognitive Fehleinschätzung. Unter Einfluss dieser Wahrnehmungsverzerrung schätzen wir Situationen, Dinge oder andere Menschen positiver ein als sie sind. Das kann selbstverständlich ungünstige Folgen haben. Ein schönes Beispiel sind Bauprojekte, die gerne hinsichtlich Dauer und Kosten völlig unterschätzt werden. Auch bei Gesundheitsrisiken neigen wir dazu, dem Optimismus-Bias zu unterliegen. Uns passiert schon nichts, unser Alkohol-Konsum ist nicht bedenklich … und Burnout? Ich doch nicht. Ich halte das aus.
Unbequeme Wahrheiten
Also immer schön realistisch bleiben und alles ehrlich und umfassend betrachten. Bloß keine rosarote Brille aufsetzen? Ist das die Lösung? Nun, wenn Du mich schon etwas kennst, dann weißt Du, dass ich auch unbequeme Wahrheiten und ungemütliche Gedanken auf den Tisch hole. Ich halte es im Sinne eines effektiven Resilienz-Trainings für unerlässlich, ehrlich hinzuschauen, in welcher Stress-Grütze wir gerade sitzen. Nichts anderes klärt den individuell passenden Weg raus aus der Grütze. Dies auch in einem iterativen Prozess.
Angst macht Dir Beine
Neben – oder nach – einer realistischen Standortbestimmung brauchen wir allerdings auch ordentlich Treibstoff, um in Bewegung zu kommen, um loszugehen für unsere gewünschte Veränderung. Und hier macht die Einfärbung Deiner Brille einen Riesenunterschied. Starrst Du messerscharf gestellt und am besten noch mit Scheuklappen auf das Problem und alle negativen Faktoren, kommst Du aus Angst in die Gänge. Das kann durchaus ein guter Anfang sein. Du kennst es sicher vom Lernen: „Oha, ich will nicht durch die Prüfung fallen, ich fange jetzt besser an, den Stoff zu lernen.“ Bleibst Du bei diesem Treibstoff der Angst, gilt es hart mit Dir selbst zu sein, Dich durchzubeißen und auch immer wieder kräftezehrend über Deine Grenzen zu gehen, oder? Das kennen wir alle. Und es funktioniert oft. Wir erreichen auf diesem Weg Ziele und schaffen Veränderungen. Nur leider sind diese all zu selten nachhaltig. Und glücklich und zufrieden sind wir auf diese Art schon gar nicht.
Positive Gefühle tragen Dich
Wie viel anders läuft es, wenn uns positive Gefühle befeuern! Um beim Beispiel des Lernens zu bleiben: Wenn uns ein Thema begeistert und wir so viel Freude daran haben, darüber mehr und mehr zu lernen, merken wir gar nicht, wie die Zeit verfliegt. Begeisterung ermöglicht uns einen ganz anderen – viel effizienteren und effektiveren – Umgang mit unseren Hirnkapazitäten. Dazu könnte ich hier begeistert noch viel weiter ausholen… aber das wird ein anderer Denkanstoß. Heute geht es um den Unterschied zwischen einer realistischen und neutralen Betrachtung der Welt oder einer optimistischeren, positiveren, rosarot eingefärbten.
Du hast die Wahl
Wenn Du immer wieder mal bewusst die rosarote Brille wählst, triffst Du eine Entscheidung hinsichtlich Deines Treibstoffes. Die Welt durch eine rosarote Brille zu betrachten, bringt Dich auf andere, auf positivere Gedanken. Positive Gedanken lösen positive Gefühle aus und Gefühle sind der Treibstoff all unseres Handelns. … Ja, wirklich! Auch wenn wir uns für noch so rational halten. Unsere Gefühle sind der Antrieb für unser Verhalten. Und unser Verhalten ist verantwortlich für die Ergebnisse, die wir in unserem Leben haben. Du setzt die rosarote Brille auf und hast damit leichter Zugriff auf den positiven Treibstoff. Damit erreichst Du Deine Ziele und Veränderungen so viel leichter, nachhaltiger und mit mehr Zufriedenheit und Glück!
Aufrichtigkeit statt oberflächlicher Motivationssprüche
Verstehe mich nicht falsch. Ich plädiere nicht für eine so-tun-als-ob-Brille. Ich empfehle Dir nicht, zu lächeln, wenn Dir eigentlich zum Heulen ist. Und ich empfehle Dir auch keine oberflächlichen Motivationssprüche oder einfach über alles ein Smiley zu kleben in der Annahme, damit allein schon die Welt fröhlicher zu machen. Was ich Dir von Herzen empfehle, ist immer wieder bewusst zu entscheiden, ob Du Deiner Gefühlslage nicht durch eine etwas positivere Betrachtung der Situation einen Booster verschaffen möchtest. Ich empfehle Dir, bewusst einen Hauch optimistischer unterwegs zu sein. Ich empfehle Dir, ab und an in Erwägung zu ziehen, wie sich der Blick durch eine rosarote Brille anfühlen würde. Wieso, fragst Du Dich jetzt vielleicht, schreibe ich „etwas positiver“, „einen Hauch optimistischer“ und „ab und an“? Nun, weil Du es Dir selbst nicht abkaufen würdest und das Ganze als albern und naiv abtun würdest, wenn Du Deine bisherigen Denkmuster völlig ignorieren würdest. Aufrichtigkeit ist die Voraussetzung dafür, dass wir uns wirklich tief empfunden positiver fühlen. Du willst Dir die leicht rosa eingefärbte Betrachtung also glauben können. Du willst Deine Realität immer noch wiedererkennen – sie allerdings etwas positiver einfärben.
Das Rezept: Der 3-zu-1-Quotient
Wie viel rosa brauche ich denn dann in meiner Brille und wie oft sollte ich die aufsetzen, magst Du Dich nun vielleicht fragen. Coolerweise hat die Wissenschaft (explizit Barbara L. Fredrickson, Professorin für Psychologie in ihrer mehrfach ausgezeichneten Broaden-and-Build-Theorie) dazu eine sehr konkrete und einfache Antwort: Den 3-zu-1-Quotienten.
„Auf jede bedrückende emotionale Erfahrung kommen drei positive Erlebnisse, die Sie wieder aufrichten. Das markiert den Tipping-Point, der darüber bestimmt, ob Menschen gedeihen oder dahinvegetieren.“
Wenn Du also gerade nicht so gut drauf bist, lautet die wissenschaftlich belegte Handlungsanweisung für mehr Glück und Zufriedenheit, bewusst Erlebnisse und Wahrnehmungen zu suchen, die Dich tief empfunden positiv stimmen – ein gutes Gespräch mit einer Freundin, eine sportliche Aktivität, eine lange Umarmung von einem lieben Menschen, die Bitte um Unterstützung und die Dankbarkeit darüber sie zu erhalten, das Streicheln vom Fell Deines Lieblingstieres, ein schönes Buch, …
… apropos, ich empfehle Dir „Die Macht der guten Gefühle. Wie eine positive Haltung ihr Leben dauerhaft verändert“ von Barbara L. Fredrickson.
Fazit:
Die rosarote Brille ist bewusst getragen ein absolutes Must-Have. Nicht nur für diesen Sommer, sondern für alle Sommer unseres Lebens und ganz besonders auch für die dunklen Wintertage! Probiere sie doch gleich mal an, Deine ganz persönliche rosarote Brille! Wie fühlt sie sich an?
Und hey – wenn Du dabei Unterstützung gebrauchen kannst, Deine bisherigen Denkmuster herauszufordern und das Schöne im Leben wirklich zu spüren, dann schreibe mir. Ich freue mich immer, von dir zu hören!
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Ich lebe und arbeite im schönen Idstein bei Wiesbaden und Frankfurt im Rhein-Main-Gebiet. Die Technik macht es möglich, dass wir räumliche Distanz im Online-Coaching überbrücken können.
Quellen:
Fredrickson, Barbara L. (2009). Die Macht der guten Gefühle. Wie eine positive Haltung ihr Leben dauerhaft verändert. Campus Verlag. Frankfurt/ New York.
Psylex. Aktuelle Nachrichten aus der Psychologie (2018). Die rosarote Brille (Psychologie). Die rosarote Brille (Psychologie) – PSYLEX
BehavioralDesign.de (k. A.). Optimismusverzerrung (optimism bias). Optimismusverzerrung (optimism bias) - Behavioral Design
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